Escherichia coli

Escherichia coli ist ein gramnegatives, säurebildendes Stäbchenbakterium aus der Familie der Enterobakterien. Es kommt bei gesunden Menschen und Tieren im Darm vor.

Berühmt wurde Eschericha coli durch den Freiburger Mikrobiologen Alfred Nissle, der 1917 einen speziellen Stamm, E.coli Nissle, aus dem Stuhl eines Krimsoldaten im ersten Weltkrieg isolierte. Dieser Stamm schützte den Soldaten scheinbar vor der Ansteckung an einer damals lebensbedrohlichen Durchfallerkrankung. Nissle ließ sich die therapeutische Anwendung seines E.coli Stammes als erstes Probiotikum unter dem noch heute bekannten Namen Mutaflor schützen. Heute gilt Escherichia coli als eines der am besten erforschten Bakterien überhaupt.

Funktion im Körper

Vorkommen und Bedeutung als Indikatorbakterium von E.coli

Escherichia coli kommt normalerweise im Darm von Menschen und Tieren vor und wird deshalb auch als Indikatorbakterium eingesetzt, um eine fäkale Verunreinigung von Lebensmitteln und Trinkwasser nachzuweisen (1). Infektionen durch krankheitserregende Vertreter von E.coli kommen immer wieder durch Verunreinigung von Trinkwasser oder Lebensmittel vor. Häufig sind Fleisch- und Milchprodukte sowie rohes Gemüse betroffen (2).

Medizinische Bedeutung von E.coli

Nützliche E.coli Stämme

Die meisten E.coli Stämme sind normalerweise nicht krankheitserregend. Escherichia coli ist besonders gut an ein Leben im menschlichen Darm angepasst und meist ein nützlicher Untermieter.

Positive Eigenschaften von E.coli sind:

  • Produktion von Vitamin K und Vitamin B12, die aus dem Darm aufgenommen werden können (3)
  • Frühe Besiedlung der Darmschleimhaut von Neugeborenen (3)
  • Stärkung der Barrierefunktion der Darmschleimhaut (4)
  • Positive Beeinflussung von Entzündungen der Darmschleimhaut (5)
  • Verdrängung von anderen, krankheitserregenden Bakterien (3)
  • Schutz vor Infektionen durch Hemmung der Einwanderung von krankheitserregenden Bakterien in Zellen der Darmschleimhaut (6)

Krankheitserregende E.coli Stämme und ihre Symptome

Eine Vermehrung der sonst ungefährlichen E.coli Bakterien außerhalb der Darmflora kann auch zu Infektionen führen. So kann E.coli im Harntrakt Harnwegsinfekte, oder bei Eindringen in die Bauchhöhle, beispielsweise während einer Operation, bakterielle Bauchfellentzündungen auslösen (1).

Verschiedene E.coli Stämme, sogenannte darmpathogene E.coli, sind hingegen grundsätzlich krankheitserregend. Sie führen typischerweise zu Infektionen des Magen-Darm-Traktes.

Krankheitsbilder (Symptome) verschiedener darmpathogener E.coli Stämme:

  • EHEC-Stamm: Wässrige Durchfälle, Komplikationsform ist das Hämolytisch-urämisches-Syndrom, kurz HUS, mit Blutungen und Nierenversagen
  • ETEC-Stamm: Typischer Reisedurchfall
  • EPEC-Stamm: Säuglingsdurchfall, Erwachsene sind von diesem E.coli Stamm selten betroffen
  • EIEC-Stamm: wässriger bis blutig-schleimiger Durchfall, häufig bei Reiserückkehrern aus tropischen Ländern

Mangel an nützlichen E.coli Stämmen und Diagnostik der Dysbalance

Ein Mangel an gesundheitsfördernden E.coli Stämmen in unserem Darm kann zu einem Ungleichgewicht, auch Dysbiose genannt, zwischen pathogenen und nützlichen Bakterien unseres Mikrobioms (bakterielle Besiedlung unseres Darmes) führen. Folgen können Funktionsstörrungen des Magen-Darm-Traktes, die Begünstigung des Reiz-Darm-Syndroms sowie die Begünstigung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sein (7) (8). Aufschluss über die Zusammensetzung und mögliche Dysbalancen des Mikrobioms kann eine Stuhlanalyse liefern.

Verwendung von E.coli Stämmen in der Medizin

Wie Alfred Nissle bereits 1917 feststellte, besitzt der E.coli Stamm Nissle probiotische Eigenschaften und kann vor anderen, krankheitserregenden Bakterien schützen. Im Laufe der Zeit sind weitere E.coli Stämme erforscht worden, die nun in verschiedenen Probiotika Anwendung finden. Die Anzahl an möglichen Einsatzgebieten der E.coli beinhaltenden Probiotika wächst stetig und wird dabei immer wieder durch neue Studien belegt.

  • Vorbeugung von Allergien

Es gibt Hinweise darauf, dass probiotische E.coli Stämme das Auftreten von Allergien bei Neugeborenen von Müttern, die selbst an einer Allergie leiden, verhindern können (9).

  • Chronische Verstopfungen

Bei Patienten, die an chronischer Verstopfung leiden, kann die Einnahme von probiotischen E.coli Stämmen helfen. In einer Studie verbesserten sich die Darmfunktion und Stuhlgangshäufigkeit nach einer vierwöchigen Therapie merklich. Die E.coli Stämme wurden dabei sehr gut vertragen und waren nahezu frei von Nebenwirkungen (10).

  • Reizdarmsyndrom

Die Einnahme von probiotischen E.coli Stämmen, kann zu einer Linderung der Beschwerden beim Reizdarmsyndrom führen. Da die Symptome jedoch sehr vielfältig sind, ist es schwierig die Einnahme von Probiotika in jedem Fall bei diesem Krankheitsbild zu empfehlen. Studien haben aber gezeigt, dass probiotische Stämme gut bei Durchfällen im Rahmen eines Reizdarmsyndroms helfen können (11) und dabei besonders gut wirken, wenn die Beschwerden nach Magen-Darm-Infektionen oder der Einnahme von Antibiotika auftreten (7).

  • Colitis Ulcerosa

Umfangreiche Studien haben gezeigt, dass E.coli beinhaltende Probiotika Entzündungsschübe der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis Ulcerosa genauso effektiv verhindern können, wie das Standardmedikament Mesalazin. Das Probiotikum ist hierbei ebenfalls sicher in der Anwendung und gut verträglich (5).

  • Infektionen bei Früh- und Neugeborenen

Die Gabe von E.coli scheint Neugeborene und Frühgeborene effektiv vor Infektionen zu schützen und führt zudem zu einer Aktivierung der Immunabwehr (10).

Einsatz von E. coli Stämmen als Probiotika

Probiotische E.coli Stämme können in verschiedenen Darreichungsformen eingenommen werden. Sie stehen zur Verfügung als:

  • Magensaftresistente Kapseln
  • Tropfen
  • Suspension

Das Ziel hierbei ist, dass lebende Bakterien im Darm ankommen und sich ansiedeln. Die unterschiedlichen Produkte enthalten verschiedene probiotisch-wirksame und ungefährliche E.coli Stämme. In Deutschland werden probiotische Bakterienstämme als Arzneimittel oder Zusatzstoff verkauft, die jeweils gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen unterliegen (8). Die Therapie sollte grundsätzlich über eine längere Zeit andauern, meist werden mindestens acht Wochen empfohlen.

Wenn Sie über eine Therapie mit probiotischen E.coli Stämmen nachdenken, ist es sinnvoll, im Vorfeld mit Ihrem Arzt zu sprechen, um über Art und Dauer der Therapie zu entscheiden. Insbesondere wenn Sie an einer Schwäche des Immunsystems leiden, sollten Sie vor Beginn der Therapie mit Ihrem behandelnden Arzt sprechen.

Quellen

(1) Suerbaum S., Hornef M., Karch H. (2016) Enterobakterien. In: Suerbaum S., Burchard GD., Kaufmann S., Schulz T. (eds) Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg
(2) https://www.bfr.bund.de/de/escherichia_coli-54352.html
(3) Blount, Zachary D. "The Unexhausted Potential of E. Coli." eLife 4 (2015): e05826.
(4) Hering NA, Richter JF, Fromm A, Wieser A, Hartmann S, Gunzel D, Bucker R, Fromm M, Schulzke JD, Troeger H. TcpC protein from E. coli Nissle improves epithelial barrier function involving PKCzeta and ERK1/2 signaling in HT-29/B6 cells. Mucosal immunology. 2014;7:369-378.
(5) Scaldaferri, Franco et al. "Role and Mechanisms of Action of Escherichia Coli Nissle 1917 in the Maintenance of Remission in Ulcerative Colitis Patients: An Update." World Journal of Gastroenterology 22.24 (2016): 5505-5511.
(6) Jacobi C, A, Malfertheiner P, Escherichia coli Nissle 1917 (Mutaflor): New Insights into an Old Probiotic Bacterium. Dig Dis 2011;29:600-607.
(7) Kruis, Wolfgang et al. "A Double-Blind Placebo-Controlled Trial to Study Therapeutic Effects of Probiotic Escherichia Coli Nissle 1917 in Subgroups of Patients with Irritable Bowel Syndrome." International Journal of Colorectal Disease 27.4 (2012): 467-474.
(8) https://www.aerzteblatt.de/archiv/45953/Probiotika-Praebiotika-und-Synbiotika-Stellenwert-in-Klinik-und-Praxis
(9) Lodinová-ádníková R, Prokeová L, Kocourková I, Hrdý J, ika J, Prevention of Allergy in Infants of Allergic Mothers by Probiotic Escherichia coli. Int Arch Allergy Immunol 2010;153:201-206.
(10) Wassenaar, Trudy M. "Insights from 100 Years of Research with Probiotic E. Coli." European Journal of Microbiology & Immunology 6.3 (2016): 147-161.
(11) Faghihi, A. H., Agah, S., Masoudi, M., Ghafoori, S. M. & Eshraghi, A. Efficacy of probiotic Escherichia coli Nissle 1917 in patients with irritable bowel syndrome: a double blind placebo-controlled randomized trial. Acta Med. Indones. 47, 201-208 (2015).